Integration

MFI Blog

Deutschland ist meine Heimat

11. Aug 2009 | Integration

Von Imam Benjamin Idriz

In der Vergangenheit hat die islamische Rechtstradition die Welt in zwei Bereiche eingeteilt: Länder, in denen überwiegend Muslime lebten und über die politische Macht verfügten, als dâru-l Islâm („Haus des Islam“), im Gegensatz zu nicht-muslimischen Ländern als dâru-l harb („Haus des Krieges“).

In unserer Zeit fordern mehr und mehr muslimische Intellektuelle, diese Terminologie aufzugeben. Einige haben vorgeschlagen, westliche Länder, in denen Muslime als Minderheiten leben, als dâru-s sulh oder dâru-l ahd („Haus des Vertrages“) zu definieren. Aber diese Begriffe sind alle weder theologisch begründet, noch sind sie auf die globale Weltgemeinschaft von heute anwendbar. Anstatt in Kategorien von „Wir“ und „die Anderen“ zu denken, muss uns die sich immer rasanter entwickelnde und vernetzte Welt als von Gott zu Gunsten der gesamten Menschheit geschaffenes „gemeinsames Erbe“ (Koran 3:180) gelten.

„Gottes ist der Osten und der Westen. Egal wohin sie sich wenden, dort werden sie Gottes Richtung finden“ (Koran 2:115), so und ähnlich wendet sich der Koran an elf Stellen gegen die Polarisierung der Welt in konkurrierende Blöcke. Überall wo Muslime leben, sind sie aufgefordert, gemeinsam mit allen Bürgern in gegenseitigem Vertrauen an der Entwicklung und an der Sicherheit des jeweiligen Landes zu arbeiten. Darum ist der Mensch, gemäß dem Islam, erschaffen worden, damit er die Erde gestaltet, bebaut, entwickelt, sie schützt und für Sicherheit sorgt. „Dieser Gott hat euch aus der Erde geschaffen und ließ euch dort leben“. (Koran 11:61) Diese Glaubensprinzipien sind heute mehr denn je unverzichtbar.

Muslime in Deutschland müssen mit ihrer Hände Arbeit, aber ebenso mit Herz und Kopf für dieses Land einstehen, nicht nur aus bürgerlicher Verpflichtung heraus, sondern auch aus religiösem Selbstverständnis. Dazu gehört, dass Musliminnen und Muslime die Geschichte, Kultur und die Traditionen der jeweiligen Länder, die Sprache, die staatliche und gesellschaftliche Ordnung, die Nationalhymne sowie die typischen Eigenschaften kennen und vertreten. Dazu gehört weiter, dass sie es als unsere religiöse, menschliche und nationale Aufgabe betrachten, in gegenseitiger Achtung gemeinsam mit der Gesellschaft und den entsprechenden Institutionen des Landes gegen un- und anti-demokratische Entwicklungen, gegen mangelnde Bildung, unmoralische Werte, Arbeitslosigkeit, Intoleranz, Gewalt, Terror, Hass gegen Juden, Christen oder Muslime vorgehen.

Die Fünf Säulen des Islams bilden für alle Muslime die gemeinsame Glaubensgrundlage und haben als ‚Norm’ und ‚Dogma’ einen Statuscharakter. Das Land, das den Muslimen die Freiheit zur der Ausübung dieser Grundsätze gewährt, wird von den Muslimen nicht als fremd empfunden, und sie akzeptieren dieses Land auch als Heimatland. Wie der bekannte ägyptische Dichterprinz Ahmad Shawqi mit kurdischer Mutter und türkischem Vater gesagt hat: „Wenn in einem Land der Name Gottes genannt wird, dann akzeptiere ich dieses Land als mein wahres Heimatland“.

Im Grundgesetz von 1949 wird die Glaubensfreiheit garantiert. Nach den demokratischen Gesetzen können Muslime ihren Glauben und die Substanz ihres Glaubens, die Schahadah, ungehindert zur Sprache bringen, ihre Gebetszeiten einhalten, fasten, die vorgeschriebene Armensteuer abgeben und die Wallfahrt nach Mekka antreten. „Die Heimat zu lieben, bedeutet religiösen Glauben“, sagt eine unter Muslimen verbreitete Redensart. „Heimat“, watan, ist nach islamischer Auffassung das Land, in dem man geboren wurde. Damit dieses Land den hier geborenen und aufgewachsenen Muslimen Heimat sein oder werden kann, stehen alle Beteiligten vor großen Aufgaben.