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Die fünf Säulen des Islam

11. Apr 2008 | Theologie

Die fünf Säulen des Islams und ihr Beitrag für die Integration der Muslime in Deutschland
Von Imam Benjamin Idriz

Jeder, der sich für den Islam interessiert weiß, dass die grundsätzlichsten Regeln des Islams aus fünf Grundpfeilern bestehen. Diese sind: Bezeugen (Şahadet), dass es keinen Gott außer Allah gibt und dass Muhammad der Gesandte Allahs ist; fünf mal am Tag beten; die vorgeschriebene Armensteuer; Fasten im Ramadan-Monat; einmal im Leben die Wallfahrt nach Mekka.

Diese besagten Grundpfeiler haben eine vielseitige Bedeutung, Ziel und Nutzen. Dies ist jedoch nicht unser Thema. Unsere Absicht ist es, diese für Muslime lebenswichtigen gottesdienstlichen Handlungen bezogen auf Deutschland kurz in Betracht zu ziehen und einige Vorschläge und Überlegungen über den Integrationsbeitrag dieser wichtigsten islamischen gottesdienstlichen Handlungen zu machen.

Das Gebet und die Moschee
Die Muslime lernen mit dem fünfmaligen Beten am Tag, respektvoll gegenüber Gott und diszipliniert zu ihrem Umfeld zu sein. In dem Bewusstsein, dass es keine zwei Tage gibt, die sich gleichen, wird der Muslim mit seinem täglichen Gebet Tag für Tag erflehen, ein noch erfolgreicherer und aktiverer Mensch für sich und ein nützlicherer Mensch für die Gesellschaft zu sein. Und so sollte er sein.
Nach jedem Gebet bittet der Muslim Gott um den Wohlstand des Landes, in dem er lebt, um den gesellschaftlichen Frieden und für die Herrschaft des Friedens auf der Welt. Ein arbeitender und verdienender deutscher Muslim, der damit gesegnet ist, in einem sicheren und wohlbefindlichen Land zu leben, wird es bei seinem Gebet zu Gott nicht daran mangeln lassen, als Treuepflicht auch für das Land, in dem er lebt und seine Menschen zu beten.

Das Gebet sorgt dafür, dass der Mensch friedlich wird. Es achtet ständig darauf, dass er den friedlichen Weg geht. Der Muslim, der täglich fünfmal betet, betet für den Frieden der ganzen Menschheit, indem er in seinem Gebet einige Male den Begriff ‚salam’ (Frieden) wiederholt. Wenn es für ihn möglich ist und eine Möglichkeit gegeben wird, kann der Muslim überall beten. Er achtet sorgfältig darauf, dass er in jeder belieben Moschee beten kann.

Die Person, die in der Moschee mit den anderen beten lernt, lernt den Zugang zur Gesellschaft und das Teilen mit den Individuen einer Gesellschaft. Die Moschee ist für den Muslim mehr als ein Ort für die Annäherung an Gott. Sie ist eher ein Ort für die Verschmelzung, der Bekanntschaft und das Zusammenkommen. Somit lernt er aus der Isolation rauszukommen, in die Gesellschaft einzutreten und das Zusammenleben mit Verschiedenheit. Aus diesem Blickwinkel könnte die Moschee in der ‚Diaspora’-Gesellschaft, sowohl bei der Bewahrung der religiösen Identitäten der Muslime, als auch bei der Integration in die Mehrheitsgesellschaft eine Schlüsselrolle spielen. Deswegen bilden in Europa die Moscheen und die Aktivitäten innerhalb der Moscheen den Mittelpunkt der Diskussion um die Integration. Wenn dies so ist, dann ist die Lage und die Funktion von Moscheen im Westen anders als die im Osten.

Da die Moscheen Gotteshäuser sind, sollten sie einen universellen und umschließenden Charakter haben. Sie sollten, ohne zu hinterfragen welches Geschlecht, welche Sprache, welche Nation und welche Ideen, die Eigenschaften besitzen, für alle offen zu sein und alle im gleichem Grad zu dienen. Die Moscheen können nicht unter der Hypothek und dem Monopol irgendwelcher politischer Sicht, Ideologie oder Person stehen. Moscheen sind Orte, in denen jeder Friedsuchende umarmt wird und zwar ohne Unterscheidung zwischen jung und alt, gebildet oder nichtgebildet, Frau oder Mann, bedeckter oder nichtbedeckter Kopf, sehr religiös oder wenig religiös. Niemand kann wegen seiner Gedanken, Rasse oder Geschlecht ausgegrenzt werden. Die Moschee kann kein Zentrum von Aktivitäten sein, in dem Andersartige ausgegrenzt und verächtlich angeschaut werden.

So wie in jeder Religion, so gibt es auch im Islam einmal in der Woche einen zentralen Gottesdienst. Dieser Gottesdienst wird Freitags gemeinsam in der Mittagszeit durchgeführt. Dieser wöchentliche Gottesdienst, der weniger als eine Stunde dauert, hat bei den Muslimen eine große Bedeutung. Obwohl in Deutschland der Freitag ein Arbeitstag ist und viele Arbeitnehmer in den Freitagsstunden Schwierigkeiten haben, die Erlaubnis für das Gebet zu erhalten, haben Meinungsumfragen gezeigt, dass Muslime und insbesondere die junge Generation sich zu einem hohen Prozentsatz am Freitagsgebet beteiligt. Freitags gibt der Imam den Muslimen religiöse Botschaften und diese werden von den Muslimen mit großem Interesse gehört. Wenn die Gläubigen die Wichtigkeit dieses Freitagsgebets besser verstehen und bewerten könnten, dann könnte dieser Gottesdienst einen großen Beitrag zur Integration leisten.

Die Millionen Muslime in Europa, die mit ihrer Arbeit und ihren Steuern einen großen Beitrag für den Wohlstand des Landes leisten, haben keine Möglichkeit, einfach zum Freitagsgebet zu gehen, da dies ein Arbeitstag ist. Falls es gelingt, den Arbeitsstätten den Nutzen des Freitagsgebets für die Muslime in religiöser, sozialer, kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht näher zu bringen, dann könnten vielleicht die Arbeitgeber die Arbeitszeiten für die arbeitenden Muslime zugunsten der Freitagsgebete anders regeln. Denn der Muslim, der nach dem Freitagsgebet wieder in der Arbeit erscheint, wird mit der Motivation, die er in der Moschee bekommen hat, noch produktiver, ordentlicher und aufmerksamer arbeiten.

Nach dem Koran ist der Freitag kein Feiertag. Darum fordern die Muslime auch nicht, dass der Freitag ein Feiertag sein sollte. Der Koran befiehlt, dass der Muslim für das Freitagsgebet nur in der Mittagszeit für weniger als eine Stunde die Arbeit unterbricht und nach dem Gebet die Arbeit sofort wieder mit größerer Produktivität und Schwung aufnimmt (Koran, 62:10). Den sich am Freitagsgebet beteiligenden Jugendlichen könnten sinnvolle Empfehlungen gegeben und somit viele negativen und schlechten Gewohnheiten in der Gesellschaft verhindert werden. Mit den Orientierungen, die den Eltern im Freitagsgebet gegeben werden, kann die Gesellschaft mit noch mehr Bewusstsein ausgestattet werden. So kann die Gesellschaft negativen Seiten verhindern.

Die Gründung von Moscheen nach ethnischen Grundsätzen sorgte dafür, das Muslime unterschiedlicher Herkunft nicht zusammenkommen, sich kennen lernen und verschmelzen konnten. Diese negative Situation hat sich dadurch noch verstärkt, dass die Frauen nicht zur Moschee gehen. Am Ende entsteht ein Bild einer singular-nationalen und patriarchalischen muslimischen Gemeinde. Der Prophet Mohammed hat die Frauen dazu angespornt in die Moscheen zu gehen und sich an den Freitagsgebeten zu beteiligen.

In den ersten Jahrhunderten des Islams unterbrachen die Frauen ihre Arbeit, um zum Freitagsgebet zu gehen und sie beteiligten sich mit den Männern an diesem wichtigen Gebet. Es war eine Frau, die während des Freitagsgebets in der Moschee einen Fehler in der Rede des zweiten Kalifen Omar korrigierte. Es gab also innerhalb der Moschee eine Art interne Kritik zwischen den Geschlechtern. Mit Bedauern sehen wir, wie die jetzigen muslimischen Gesellschaften ihrer eigenen ursprünglichen Geschichte fremd geworden sind. Entsprechend dem Koranvers ‚Ihr Gläubigen, (und nicht Ihr Männer!), wenn am Freitag zum Gebet gerufen wird, dann wendet euch mit Eifer dem Gedenken Allahs zu’ (Koran, 62:9), sollten der Imam einer Moschee, die Moscheeleiter und die Gläubigen getreu dem Ratschlag des Propheten Mohammed und seinen Ausführungen vom damals, die Beteiligung von Frauen an den Freitagsgebeten besonders fördern.
Damit Muslime, die zu den unterschiedlichen Rassen gehören verschmelzen, voneinander lernen und inspiriert werden, ist es nötig, dass zwischen den Kulturen Brücken gebaut werden. Ferner sollen, der Mentalität der neuen Generation entsprechend, auch die Predigten in den Freitagsgebeten allmählich in deutscher Sprache gehalten werden. Damit Imame heranwachsen können, die die Sprache dieses Landes und die Mentalität dieser Gesellschaft kennen, ist es unausweichlich, dass hier und in der Sprache dieses Landes eine theologische Ausbildung angeboten wird.

 

Die vorgeschriebene Armensteuer (Zakat)
Der Dienst an Gott, die Armensteuer, hat im Islam das Ziel, in der Gesellschaft die soziale Gerechtigkeit herzustellen, die Kluft zwischen Arm und Reich zu verhindern und für ein Gleichgewicht zu sorgen. Ein Großteil der Muslime in Europa spendet gegenwärtig 2,5 % ihres Vermögen und andere freiwillige Spenden als Armensteuer verschiedenen islamischen oder humanitären Institutionen.
Die aus der Armensteuer und anderen Spenden gesammelten Hilfsgelder werden in der Regel an außerhalb Europa lebende und bedürftige Menschen verteilt. Seit Jahren wird dieses enorme finanzielle Potential in andere Länder kanalisiert. Der europäische Muslim, der in relativem Wohlstand lebt, sorgt mit seiner Armensteuer für die Entstehung von Brücken und Solidarität zwischen Ost und West, in dem er aus seiner Perspektive wirtschaftlich ärmeren Gesellschaften Hilfe anbietet. Das ist etwas Gutes.

Allerdings sollte nach islamischem Recht das gesammelte Geld der Armensteuer für die Bedürfnisse im eigenen Land ausgegeben werden. So lange ein Land dieses Geld braucht, sollte diese Hilfe nicht ins Ausland weitergeleitet werden. Die muslimischen Gemeinden in Europa, die von staatlicher Hilfe abgeschnitten sind, befinden sich selbst in einer Situation, in der sie Geld benötigen. Daher sind wir der Meinung, dass dieses materielle Potential ab jetzt in Europa bleiben sollte.

Der Fonds für die Armensteuer sollte an eine einzige Institution, die alle Muslime repräsentiert, gebunden sein, und die Einkünfte der Armensteuer in einem einzigen Zentrum gesammelt werden. Mit dem sich anhäufenden Kapital sollte allen voran Projekte unterstützt werden, die die Bildungssituation und die soziale Lage von Muslimen verbessern. In einer Zeit, in der ausländische Finanzhilfen manchmal gerne absichtlich verdächtig werden, sollten, um diesen Diskussionen keinen Platz zu geben, die finanziellen Quellen im Innern und der gute Einsatz dieser Quellen mehr Gewicht bekommen. Mit solch einer inneren Quelle sollten in Deutschland und in anderen europäischen Ländern theologische Hochschulen eröffnet werden, in denen Imame, Akademiker und Religionslehrer ausgebildet werden.
Diese Geldquellen können auf unterschiedliche Felder wie die islamischen Kunstmuseen, wissenschaftliche Forschungszentren, deutsch- und anders europäisch sprachige Zeitungen, Zeitschriften und andere Veröffentlichungen verteilt werden. Dies könnte eine Hilfe dafür sein, dass die in diesem Land lebenden Muslime ein richtigeres religiöses Verständnis besitzen.

Neben Bildung und Information sollten die Institutionen, die im sozialen, wissenschaftlichen und integrativen Bereich arbeiten von diesem Fonds Gebrauch machen. Auch um die Arbeitslosenquote im Land zu senken und um ökonomisch betrachtet, in einer Zeit, in der eine finanzielle Krise durchlebt wird, den gesellschaftlichen Wohlstand zu erhöhen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen, um damit Arbeitslose zu beschäftigen, könnte dieser Fonds eine Quelle sein. Nach dem islamischen Recht können auch Nicht-Muslime von der Armensteuer profitieren. Entsprechend dieses juristischen Prinzips sollten ohne Unterscheidung der Religion, diejenigen Institutionen, die eine finanzielle Hilfe brauchen, identifiziert und unterstützt, und ohne Unterscheidung der Religion denjenigen, die auf eine soziale Unterstützung angewiesen sind, geholfen werden. Mittels so gestalteter Solidarität können in der Gesellschaft die Ängste abgebaut, das Vertrauen erhöht, der Wohlstand und das Bildungsniveau der Menschen angehoben und die Erlangung des gesellschaftlichen Friedens und des Wohlbefindens und der wirtschaftliche Aufschwung unterstützt werden. Das wird ohnehin mit der Armensteuer bezweckt.

 

Das Fasten im Ramadan
Im Leben von Muslimen hat der Monat Ramadan eine besondere Stellung. Dieser Fastenmonat, in dem auch der Koran erschienen ist, vergeht in intensiver Verehrung Gottes und der gesellschaftlichen Solidarität. Diese begeisternden und glücklichen Tagen, die einen Monat dauern, enden mit einem dreitägigen Fitr-Fest. Der Ramadan hat neben einer religiösen auch eine soziale, unterhaltsame, kulturelle und geschäftliche Dimension.

Ähnlich wie die großen Kaufhäuser rund um Weihnachten ihren christlichen Kunden attraktive Produkte anbieten, können sie im Monat Ramadan auch ihren muslimischen Kunden besondere Angebote machen. So wie z.B. in einem islamischen Land wie den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), in den Läden den Christen zum Weihnachtsfest und den Muslimen zum Ramadanfest besondere Produkte angeboten werden, könnten die europäischen Kaufhäuser auch ihren Millionen muslimischer Kunden –insbesondere den Kindern– im Monat Ramadan, besonders auf diesen Monat zugeschnittene Produkte anbieten.

Somit können sie sowohl für die Wirtschaft des Landes als auch für die gegenseitige Entwicklung von Sympathie und Interesse einen Beitrag leisten. In die Tage des Ramadan, der freudvollsten Zeit der Muslime, fällt die Zeit des Fastensbrechens. Immer öfter teilen die Muslime diese Freude mit Freunden, Verwandten, Familien und Nachbarn. Auch die in Deutschland lebenden Muslime, können ihre nicht-muslimischen Nachbarn, Freunde und Verwandte zum Fastensbrechen einladen. Den Monat Ramadan könnten sie als eine große Möglichkeit betrachten, um Vorurteile zu durchbrechen, Freundschaften zu bauen und der Gesellschaft Näher zu kommen.

 

Die Pilgerfahrt (Hadsch)
Jedes Jahr reisen tausende Muslime von Europa aus in die heiligen Städte Mekka und Medina und Jahr für Jahr steigt die Zahl der Pilger. Die Organisation dieser Pilgerfahrt, die in der ganzen Welt als die größte zivile Tagung bezeichnet wird, wird in Deutschland von touristischen Agenturen oder muslimischen Institutionen durchgeführt.
Aber manche Pilgerfahrt-Organisatoren bieten für das Geld, das sie erhalten haben, einen qualitativ sehr niedrigen Dienst an. Da es keine staatliche Kontrolle gibt, verursachen manche Agenturen und Institutionen für Hunderte von Pilgern große Unannehmlichkeiten. Der Pilger, der sich an die Lebensstandards in Europa gewöhnt hat, wünscht sich bei der Organisation einer Pilgerfahrt die Qualitäten und die Standards, die er in Europa erlebt.

Die Organisation von Pilgerfahrt beabsichtigt die Erfüllung eines Gottesdienstes und auf der anderen Seite, kann sie zusätzlich auch einen Beitrag für die Integration leisten. So wie zwischen Millionen von Pilgern in Mekka und Medina ‚die indonesischen Pilger’ oder ‚die türkischen Pilger’ mit ihrer Kleidung, Fahnen und Symbolen auffallen, sollte auch die Existenz von ‚deutschen Pilgern’ spürbar sein. Mit der Organisation qualitativ hochkarätiger Pilgerfahrten, d.h. mit für Pilger geschriebene Reiseführer mit Materialien, von der Ankunft auf den ‚heiligen Böden’ bis zur Rückreise nach Hause, könnten ‚Deutschlands Pilger’ ein Markenzeichen setzen.

Mit dem saudi-arabischen Ministerium für Pilgerfahrt, mit dem deutschen Tourismusministerium und mit dem einzigen islamischen Institut, das die Muslime repräsentiert, könnte in dieser dreier Kooperation eine hochwertige und sichere Organisation für die Pilgerfahrt zustande kommen. Der Beitrag der Pilgerreise zur Integration ist es, mit einer von diesem einzigen Zentrum in Deutschland aus organisierten guten Pilgerfahrt, den aus fünf Kontinenten dieser Welt an die heiligen Städte angereisten Millionen Menschen, Deutschland bekannt zu machen und zwischen diesen Menschen und Deutschland die menschlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und geschäftlichen Verhältnisse aufzubauen.