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Wir verurteilen den Terroranschlag in Wien

3. Nov 2020 | Pressemitteilungen

Stellungnahme von Imam Benjamin Idriz

Die aktuellen Terroranschläge in Frankreich und Österreich und zunehmender Missbrauch unserer Religion durch Einzelne und durch extremistische Strömungen bewegen mich, wiederholt zu bekräftigen und für alle unüberhörbar zu erklären, was ich als Imam und meine Kollegen tagtäglich sagen und predigen:

Weil wir Muslime sind, sind wir entsetzt über die Verbrechen, die im Namen unserer Religion in Frankreich und Österreich begangen werden, verurteilen entschieden alle abscheulichen Taten, und betrachten all das dezidiert als ebenso unislamisch wie unmenschlich!

Wir Muslime sind zutiefst traurig über diese Ereignisse und solidarisieren uns mit den Opfern und den Hinterbliebenen – wer auch immer wo auch immer unter Gewalt leidet! Wir leiden unter den aktuellen Nachrichten ja nicht weniger als andere, sondern mehr, weil es unsere Religion ist, die dabei so unbeschreiblich pervertiert wird.

Müssen die Muslime und deren Imame und Gelehrte lauter schreien? Ja, müssen sie! Denn es sind die Irren, die Ungebildeten und Fehlgeleiteten, die Gewalttäter allerorten, die das Bild unserer Religion nach außen bestimmen. Und es ist unsere Aufgabe – wessen sonst! – dagegen aufzutreten.

Menschen, die kaltblütig Köpfe abschneiden, unschuldigen Menschen das Leben nehmen oder Hass schüren, betrachten wir als „mufsidun“ – Menschen die Unheil auf der Erde stiften, wie der Koran sie nennt. Der Koran hat höchste Strafe für solche vorgesehen (7:33). Gnadenlos müssen wir gemeinsam gegen Terroristen („mufsidun“) vorgehen.

Der Koran verurteilt das Töten Unschuldiger in der entschiedensten Formulierung, die denkbar ist: „Wer ein menschliches Wesen tötet, oder auf der Erde Unheil gestiftet (hat), so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte!“ (Koran 5:32)

Daher rufen wir Muslime und Nicht-Muslime auf, ihre Stimmen noch lauter zu erheben gegen Hass und Gewalt!

Als eine Konsequenz aus dem koranischen Gebot: „Ihr, die ihr glaubt! Tretet allesamt ein in den Frieden“ (Koran 2:208) müssen die Muslime lautstark ihre Parteinahme für den Frieden entschieden und unmissverständlich, überall und unablässig kundtun. „Der Muslim d.h. der friedliebende Mensch, ist verantwortlich dafür, dass die anderen friedliebenden Menschen vor seinen Händen und Worten sicher sind.“ (Prophet Muhammed). Gerade dieser Andere, wer auch immer er sein mag, muss fühlen, dass er in Frieden mit den Muslimen leben kann und sich zu jeder Zeit und an jedem Ort bewusst sein, dass keinerlei Bedrohung von ihnen ausgeht.

Ich rufe alle Muslime dazu auf,

  • sich offensiv von religiös begründetem Hass und Gewalt zu distanzieren und sich unter keinen Umständen direkt oder indirekt mit Terroristen zu identifizieren oder zu solidarisieren, deren Tun zu verteidigen oder zu verharmlosen.
  • in der Zeit der Pandemie, wo Kundgebungen nicht leicht zu organisieren sind, können sie in ihren sozialen Medien, durch Texte und Videobotschaften, ihre Stimme gegen den Missbrauch unserer Religion laut erheben.
Ich rufe alle Imame und Gelehrte auf,

  • sich mit den Gewaltinhalten im theologischen Diskurs – in Wort- und Schriftform – auseinanderzusetzen, das Problem beim Namen zu nennen, sich von Meinungen von Gelehrten, die Gewalt dulden, zu distanzieren und klare Positionen zu beziehen.

Ich rufe alle Jugendlichen auf,

  • Lasst euch nicht von Propagandisten im Internet belügen und verführen! Wenn andere vermeintlich oder tatsächlich Unrecht gegen Muslime verüben, oder den Islam attackieren, dann könnt ihr nichts dadurch verbessern, dass ihr selbst Unrecht verübt. „Wehre das Böse mit Besserem ab!“ (Koran 41:34). Terror ist niemals eine Lösung, aber immer eine Sünde!

Ich rufe die Politik dazu auf,

  • gemeinsame Wege mit den Moscheegemeinden zu finden, wie wir den Extremismus effektiv bekämpfen können. Die Politik muss dringend differenzierter vorgehen und unterscheiden, von welcher Seite tatsächliche Gefahr ausgeht, diese entschieden bekämpfen – aber ebenso entschieden mit denjenigen zusammenarbeiten und sie engagiert unterstützen, die den Islam friedlich interpretieren und dadurch sehr viel effektiver gegen Missbrauch vorgehen können.

Ich rufe die Gesellschaft, Medien und Politik dazu auf,

  • den Terror nicht mit dem Islam, direkt oder indirekt, in Verbindung zu bringen. Das verletzt das Gefühl der friedliebenden Muslime. Ich kann nur an alle appellieren, nicht uns hier an Mördern zu messen, wo auch immer sie auf der Welt sind. Nicht uns, und nicht DEN Islam.

Zeichen gegen Extremismus zu setzen, ist nur dann wirklich effektiv, wenn sie gemeinsam gesetzt werden.

So wie sich die friedliebenden Muslime entschieden gegen Extremismus positionieren, erwarten wir, nicht nur in Zeiten der Zuname von Rechtsextremismus und Islamfeindlichkeit, das gemeinsame Engagement aller, die im Europa unserer Zeit eine gedeihliche, gemeinsame und friedliche Zukunft verwirklichen und bewahren wollen. Dem Frieden gilt der gemeinsame Ruf aller Religionen.

Imam Dr. Benjamin Idriz
Imam der Islamischen Gemeinde Penzberg
Vorsitzender des Münchner Forum für Islam