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Ausbildung von Imamen in Deutschland

10. Nov 2009 | Akademie

Ausbildung  von Imamen in Deutschland im Rahmen einer bildungspolitischen Gesamtkonzeption
Schaffung eines Forums für die Ausbildung von Imamen in Deutschland

Eugen-Biser-Stifftung, München, Evangelische Akademie Tutzing, 29.11.2007

Die Rede von Imam Benjamin Idriz, Islamische Gemeinde Penzberg, Vorsitzender von MFI e.V.

Sehr geehrte Damen und Herren,

in nie zuvor gekanntem Maße haben Veranstaltungen über den Dialog mit dem Islam unser Jahr 2007 geprägt.

Allein persönliche Einladungen, die mich aus ganz Deutschland und auch über die Landesgrenzen hinaus erreichten, zeigen das immense Interesse – sei es seitens der Politik, der Wissenschaft oder der Kirchen – an der Entwicklung Europas bei sichtbarer Präsenz des Islam. Auffallend dabei ist eine Reihe zahlreicher Referate über die Rolle der Imame in Deutschland, in Europa. Denn man erkennt nun endlich, dass weit über architektonische Fragen hinaus, die aus ihren Hinterhöfen hervorkommenden Moscheen auch einen Geist verkörpern. Die Institution „Imam“ ist der wichtigste geistliche und kulturelle Träger des Islam. Nun sind wir bereits so weit, über eine Akademisierung dieser Imame im Rahmen staatlicher Projekte Diskurse zu führen.

Erlauben sie mir einführend den Begriff Imam als Terminus technicus zu definieren, um im weiteren Verlauf seine Funktion, Aufgabe und Verantwortung klären zu können.

Noch zuvor möchte ich kurz auf eine missverständliche Aussprache des Wortes Imam aufmerksam machen, der ich selbst des Öfteren begegnet bin. Es kommt leider gelegentlich vor, dass der letzte Konsonant von „Imam“ als N anstelle von M gesprochen, und manchmal sogar in Dokumenten so geschrieben wird. Das ist natürlich verständlich, wenn wir bedenken, dass Fachbegriffe des Islam erst seit kurzer Zeit dabei sind, ihren Platz in unserer Gesellschaftsordnung einzunehmen. Erlaubt sei aber ihre Richtigstellung, damit wir unter demselben Wort auch das ein und dasselbe verstehen. Denn „Iman“, mit N, besitzt die Bedeutung von „Glauben“ und „Vertrauen“ (und ist sprachlich mit dem vertrauten Wort „Amen“ verwandt).

Ein kurzer historischer Rückblick würde uns zeigen, dass die Institution Imam, obwohl vielseitig und vieldeutig, immer auch konform mit der gegebenen Situation der jeweiligen Zeit war und ist.
Der Islamgelehrte Mawerdi aus dem 11. Jahrhundert (Gestorben 1058) ordnete die Bedeutung eines Imams zunächst in zwei Kategorien ein. Zum Ersten beschreibt er seine Aufgaben als Beschützer und Bewahrer der muslimischen Identität, der auch in der Weltpolitik seine Position einnimmt. Im Weiteren schränkt er seine Aufgabe auf ein einfaches Leiten der rituellen gemeinschaftlichen Gebete ein.
Wir sehen hier zwei Extreme:  eine sehr umfassende, auch politische Leitungsfunktion, die in dieser Form obsolet ist, und eine speziell definierte und limitierte Leitungsfunktion. Dazwischen liegen viele Formen und Ausprägungen eines Imam-Verständnisses.

Ich selbst befinde mich nach Mawerdis Darstellung zwischen den Extremen, das heißt, ich verfolge als Imam keine politischen Absichten, begnüge mich aber auch nicht damit, als rein formeller Vorbeter zu fungieren.

Wir müssen zwischen den beiden Titeln Imam und Vorbeter differenzieren. Ein Vorbeter ist derjenige, der, meist von der muslimischen Gemeinde ernannt, das Gebet lediglich leitet, was im Prinzip ein Jeder-kann-es-machen-Verständnis impliziert. Ein Imam hingegen ist ein ausgebildeter Religionsgelehrter, der ein Recht und einen Anspruch auf die Leitung der rituellen Gebete besitzt und im religiös-theologischen Bereich besonders qualifiziert ist. In sofern ist ein Vorbeter nicht unbedingt ein Imam, ein Imam aber immer ein Vorbeter.

Sehr geehrte Damen und Herren,

eingebettet in eine 150-jährige Familientradition von Imamen auf dem Balkan, dessen Schlusslicht so scheint es, meine Person einnimmt, beschäftigt mich die Frage nach einem zeitgemäßen Imambild, in Einklang mit der rasanten Entwicklung unserer mobilen und globalen Welt. Dabei werde ich gerne zurückgreifen auf Begegnungen mit Kollegen, und werde mich ebenso inspirieren lassen von den vielen Eindrücken, die ich in meiner Vergangenheit im Orient und Okzident kennenlernen durfte. Kurzum, ein Versuch der Frage nachzugehen: Wie verortet sich ein Imam in Europa?

Nun, mein Idealbild eines Imams hört sich wie folgt an:

Ein Imam einer Moschee ist Vorbild, Leiter und Vertreter seiner Gemeinde. Er zeichnet sich in seinem Umfeld durch herausragendes Wissen und Vernunft aus. Ein Imam ist nicht nur damit beauftragt, für die Gemeinde das Gebet zu leiten und die Freitagspredigt zu halten. Neben diesen obligatorischen Aufgaben hat er auch eine herausragende und federführende Rolle in der Gesellschaft zu übernehmen. Er ist die Schlüsselperson, wenn es um Probleme der einzelnen Individuen, der Familien und der Gesellschaft geht.

Ein Imam hinterfragt im Kontext seiner Ausbildung, ob das, was ihm vermittelt wird, im zeitlichen und räumlichen Rahmen noch relevant und anwendbar ist. Nach dem Prinzip des lebenslangen Lernens fördert er sein Wissen in allen Facetten des menschlichen Zusammenlebens. Täglich verfolgt er lokale und globale Ereignisse um und über den Islam aufmerksam mit und nimmt an Seminaren und Veranstaltungen zum einschlägigen Thema gerne teil. Darüber hinaus ist er in gleicher Weise an den Medien interessiert, die die aktuellen Nachrichten für das unmittelbare Umfeld und über das Land liefern.

Die höchste Auszeichnung eines Imams ist sein fundiertes Wissen über islamisch-theologische Grundlagen. Dabei konzentriert er sich nicht ausschließlich auf einige wenige Meinungen, sondern bedient sich breit gefächerter Studien von Islam-Experten, von diversen Strömungen, Denkern und Rechtsschulen, um sich so selbst einen Überblick zu verschaffen. Er besitzt auch die Fähigkeit zu unterscheiden, dass die in der Geschichte getroffenen Beschlüsse einzelner Gelehrter für bestimmte Sachlagen in bestimmten Regionen keine allgemein verbindlichen Inhalte für religiöses Leben heute darstellen. Darum kann und darf es nicht sein, dass einst vorwiegend im orientalischen Raum von Menschen getroffene Maßgaben für unanfechtbar erklärt werden. Wie jede Epoche ihre Dynamik aufweist, braucht auch unsere heutige Ära eine islamische Geisteswissenschaft, die sich als im Heute angekommen versteht. Derzeit sind islamische Rechtsgelehrte eher bekannt für ihre chaotischen Rechtsgutachten, als für ihren eigentlichen Zuständigkeitsbereich. Unbefugte und unbegabte Möchte – gern- Gelehrte drängen unter dem Deckmantel der Religion vor allem junge Menschen in die Radikalität, in den Extremismus.

Ein Imam greift Tabu-Themen in seiner Gemeinde entschlossen auf. Religiöse Fehlentwicklungen und -interpretationen brandmarkt er offen und kritisch. Mit traditionalistischem Islamverständnis kann er wenig anfangen; er ist vielmehr ein Verfechter des wissenschaftlichen Islams.

Ein Imam fühlt sich nicht nur dem Islam und dem Orient verbunden, gleichermaßen empfindet er auch etwas für die westliche Kultur. Er liest westliche Klassiker – insbesondere Literatur nicht-muslimischer Autoren über Geisteswissenschaften und Philosophie bestücken sein Bücherregal. Fremde Kulturen kennt er in und auswendig und ist ihnen gegenüber aufgeschlossen.

Ein Imam ist auch in Lebensbereichen außerhalb seiner Moscheegemeinde aktiv. Er pflegt einen ausgewogenen und guten Kontakt mit der Gesellschaft und vertritt die Gemeinde nach Außen in sozialen und kulturellen Bereichen. Seine ständige Begleitung ist seine Ehefrau. Er hat ein großes Interesse an der Öffentlichkeit. Ebenso weiß er, wie er die Medien einbeziehen kann.

Ein Imam hat einen weiten Horizont, ein breites Wissen, eine ansprechende Wortwahl, ein lächelndes Gesicht, ein sympathisches Auftreten, einen vorbildlichen Charakter, ist offen für andere Kulturen, Traditionen und Brauchtum, begegnet Andersdenkenden und Andersgläubigen mit Respekt, sucht den ständigen Weg des Dialoges und Austausches mit allen Menschen. Weihnachten und Ostern sind ihm keine fremden Feste. Er ist hilfsbereit und nicht zu übertreffen in seiner Freundlichkeit und Nähe gegenüber Männern und Frauen, Jungen und Alten. Bei der Begegnung mit Frauen kann es ihm keine Schwierigkeiten bereiten, ihnen die Hand zu reichen. Auch ein gepflegtes Äußeres gehört zu seinem Erscheinungsbild.

Ein Imam schätzt die Ressourcen einer pluralistischen Werteordnung und begreift diese als Chance. Er ist bewandert im Judentum, Christentum, Buddhismus, Hinduismus und anderen Religionsverständnissen und steht ihnen mit Toleranz und Akzeptanz respektvoll gegenüber. Er ist sich dessen bewusst, wenn er in seinen Vorträgen und Predigten auch nur annähernd eine dieser Religionen kränkt, dass er damit gleichzeitig den Schöpfer angreift.

Ein Imam kennt das Grundgesetz und die Gesetzeslage des jeweiligen Landes, in dem er sich zu leben entschieden hat, den demokratischen und rechtlichen Verpflichtungen ist er ebenso verbunden. Er ist reserviert und ablehnend gegenüber allen Menschen eingestellt, die das Rechtssystem anprangern und damit das friedliche Zusammenleben der Gesellschaft in Gefahr bringen möchten. Er wird seine Stimme immer lauter erheben gegen die globalen Auswirkungen von Terror und Radikalismus, so genannte Ehrenmorde, Diskriminierung der Frauen, Gewalt in Schulen und Familien, Rassismus, Antisemitismus und Ausgrenzung, Kriege und Ungerechtigkeit.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Fakt ist, dass die Äußerungen eines intellektuellen, modernen und mutigen Imams über die Themen, die unsere Gesellschaft derzeit beschäftigen, wie Terror, Gewalt in muslimischen Familien und Zwangsehen, zu nachhaltigerer Akzeptanz führen, als es Aufrufe von Politikern und Schlagzeilen in den Medien bewirken. Gerade deshalb ist der Stand der Imame einer der wichtigsten Bausteine, wenn es um Verständigung, Dialog und diesbezügliche Stärkung von Europa geht.

Was uns heute fehlt ist eine ernsthafte Debatte unter Muslimen zu Themen, die offen und ehrlich einer Klärung bedürfen. Muslime sind aufgefordert, sich der Herausforderung der Moderne zu stellen, und jenseits strikt buchstabengetreuer, traditioneller Auslegungen des Korans, moderne reformistische Interpretationen zu zu lassen, ohne dabei das geistige Erbe der Religion zu verletzen.
Es besteht ein enormes Bildungs- und Informationsdefizit in Bezug auf Islam. Die Gesellschaft und die Muslime selbst sind meist mit einem Zerrbild von Islam konfrontiert.

Das Bild des Islam hier in Deutschland wird nach wie vor als vorwiegend “ausländisch” oder “fremd” geprägt wahrgenommen. Noch immer wird der Islam als ein Phänomen im Umfeld von Immigration verortet. Hartnäckige Vorurteile (“Fundamentalismus, heiliger Krieg, Terrorismus, Ehrenmorde”) stehen einer harmonischen und gedeihlichen Koexistenz zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen auf gemeinsamer Basis im Wege.

Gefragt ist hier fachkundiges Personal, Menschen mit spezifischer Ausbildung, die diese Fragen kompetent angehen und eine entsprechende Bewusstwerdung sowohl innerhalb der muslimischen Gemeinschaft in Gang setzen als auch nach außen klärende Signale setzen.
Das bedeutet, dass die derzeitigen Träger und Vermittler religiösen Verständnisses, die Imame, die in den islamischen Gemeinden hohe Anerkennung genießen, vorrangig in den Diskurs mit einzubinden sind. In dem Maß, in dem die Rolle der Moscheen in der Diasporagesellschaft vielschichtiger geworden ist, ist auch das Aufgabenfeld der Imame gewachsen. Moscheen sind von einfachen Gebetshäusern zum funktionalen Mittelpunkt migrantenspezifischer Aufgaben gerückt. Imame wären der treibende Motor der Integration, doch lassen sie allzu oft die Grundanforderungen wie deutsche Sprachkenntnisse und fachliche Ausbildung vermissen.

Tatsache ist, dass in Deutschland zur Zeit weder staatliche noch von islamischen Organisationen getragene Ausbildungsstätten für Imame bestehen.
Der Bedarf von ca. 2500 Moscheegemeinden in Deutschland, in Bayern etwa 350, wird meist durch den Rückgriff auf Imame aus den Herkunftsländern gedeckt. Man schätzt die Zahl der hauptamtlichen Imame aus der Türkei auf 1500, der Rest der Gemeinden wird von ehrenamtlichen „Imamen“ begleitet, die von den Gemeinden selbst ernannt werden, häufig ohne entsprechende Qualifikation.
Imame aus dem Ausland verfügen kaum über ausreichende Sprach- und Kulturkompetenz und sind deshalb der Integration der Muslime in die deutsche Gesellschaft ebenso wenig förderlich, wie sie den Anforderungen der Gemeinden und ihrer Mitglieder vor allem in der zweiten und dritten Generation nicht gerecht werden.

Das Schicksal der Imame in Deutschland ist in die Hände der einzelnen Moscheevereine gelegt. Muslimische Einrichtungen sind nicht, wie es sein sollte, der Obhut eines Imams unterstellt, sondern hier dominieren Vereinsvorstände, die ihre Aufgaben auf ehrenamtlicher Basis regeln. Der Imam ist nicht in der Rolle des Führenden, er ist selbst der Geführte. Den Imamen wird aufgrund ihres begrenzten Aufenthaltsstatus ungern die Führungsrolle abgegeben. Nach dem Motto „Er ist der Gehende, wir sind die Bleibenden, und wir haben die Finanzen“, werden Imame in ihrer Autorität eingeschränkt.

Die islamischen Organisationen waren wie in anderen Fragen auch in dieser Sache alleine gelassen, und so schufen sie sich kurzerhand Ideen und Konzepte, um ihr Defizit an notwendigen Imamen decken zu können. So stehen gegenwärtig einige unter direkter Verbindung mit ausländischen Ministerien für Religionsangelegenheiten und somit auch unter fremdstaatlicher Garantie. Ihr Aufenthalt in Deutschland ist auf höchstens 5 Jahre beschränkt, ihre Ausbildung ist generell eine hochkarätige. Ein großer Teil der Imame lässt die Familie zurück und kommt alleine, weshalb sie dann sehr oft hin und her pendeln und damit für einige Zeit ausfallen. In den letzten zwei Jahren werden einige der Imame verpflichtet, 600 Stunden deutschen Sprachkurs zu absolvieren, bevor sie eine Stelle in Deutschland neu besetzen. Allerdings kann dieser Erwerb kaum umgesetzt werden. Bürokratie und andere Hürden versperren den Imamen die Kontakte zur deutschsprachigen Infrastruktur.

Andere Imame sind wiederum Rentner, die mit dem so genannten grünen Reisepass einreisen und einen Aufenthalt von in der Regel einem Jahr bevorzugen, weshalb viele Moscheegemeinden innerhalb von einem Jahr mehrere Imame wechseln. Deutsche Sprachkenntnisse besitzen sie kaum und sind auf die Moscheebetriebe angewiesen, ohne jegliche soziale Absicherung.

Andere wiederum bilden in ihren eigenen Reihen junge Menschen zu Imamen aus, die teilweise in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Der Lehrplan, der dabei gelehrt wird, ist nicht öffentlich.
Die Ausbildung der Imame ist und muss ein Kernanliegen, in erster Linie der Muslime in unserem Land, sein. Meine Absicht ist es nicht, die Spitzenorganisationen in ihrer Arbeit zu kritisieren und ihr bisheriges Jahrzehnte langes Wirken in den Schatten zu stellen. Aus mehreren Gesprächen über die Situation der muslimischen Gemeinden weiß ich, dass auch diese die derzeitige Lage der Imame als unbefriedigend empfinden, fehlende Unterstützung und Hilfsmittel ermöglichen jedoch keine Abhilfe.

Im September war ich auf Einladung der Theodor-Heuss-Stiftung bei einem Symposium zur Nachbesprechung des Nationalen Integrationsplans. Wie ich auch dort betont habe, möchte ich nochmals erwähnen: Die Initiative zur Imam-Ausbildung auf europäischem und deutschem Boden muss zunächst von uns Muslimen selber kommen. Wir debattieren und setzen unsere ganze Energie in die Errichtung von Moscheebauten. Haben wir auch darüber nachgedacht, wer den Geist dieser Räume füllen wird? Geben wir zu: wir haben es nicht! Unser vordringliches Anliegen sollte deshalb die Schaffung von Ausbildungseinrichtungen für Männer zu Imamen und für Frauen zu so genannten Murschidas sein. Bislang haben wir in dieser Kontroverse einem essentiellen Bereich, dem der weiblichen Gelehrtenausbildung, keine Bedeutung zugeschrieben. Obwohl die Entwicklung der Rechtsgelehrtinnen in der islamischen Geschichte eine herausragende Rolle besitzt, sind weltweit heutzutage Frauen in einer kleinen Minderheit, was dieses Amt anbelangt. Auch in dieser Entwicklung wird Europa seine Vorreiterrolle übernehmen.

Ich glaube fest an die Möglichkeit und Verwirklichung in progressiven Schritten, eine etablierte Imamausbildung in Deutschland zunächst in drei Etappen zu mobilisieren:

  • Schritt 1 wäre zunächst eine Art Fort- und Weiterbildung für die derzeitigen, wenn auch zeitlich begrenzt anwesenden Imame in den Moscheegemeinden anzubieten.
  • Schritt 2 könnte eine anerkannte Islamische Theologische Hochschule sein, die sich nach ihrer Bewährung dann im weiteren
  • Schritt 3 an einer deutschen Universität mit dem Studiengang Islamische Theologie etabliert.

Nicht weit von West-Europa haben Länder wie die Türkei oder Bosnien-Herzegowina Hochschulen und Theologische Fakultäten fest in ihrem Bildungsprogramm, die durchaus auch für uns von Relevanz sein können.
Darüber hinaus haben wir im deutschsprachigen Länderdreieck Deutschland, der Schweiz und Österreich zahlreiche Professoren und Gelehrte, die einen solchen Studiengang konzipieren, aufbauen und leiten können.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die vergangenen Debatten um ein Zentrum, das auch eine akademische Ausbildung für Imame vorsieht und als dessen Initiatoren meine Person und etwa ein Dutzend aktive Muslime aus dem Raum München fungieren, haben viele Fragen auf beiden Seiten aufgeworfen. Dennoch sind wir entschlossen, vor allem angesichts der zahlreichen Solidaritätsbekundungen gerade von Nicht-Muslimen, weiterhin an diesem Projekt zu arbeiten. Denn wir möchten die Menschen, die ihre Hoffnung und Zuversicht in diesem Projekt sehen, nicht enttäuschen.

Erlauben sie mir an dieser Stelle einen Auszug unseres Konzeptes zu ZIEM – dem Zentrum für Islam in Europa – München, vorzutragen:

Die Sorgen der Bevölkerung sind nicht loszulösen von dem nach wie vor verbreiteten, negativen Image der Muslime: Zum einen wird „Islam“ von Vielen als problematisch für europäisches Werteverständnis und die deutsche Gesellschaftsordnung wahrgenommen. Und zum anderen gelten Muslime noch immer weitestgehend als „fremd“ und, trotz in Bayern geborener Generationen, kaum als beheimatet.

ZIEM möchte hier gegensteuern und einen so dringend notwendigen, effektiven Beitrag leisten, um die weitere Entwicklung auf für alle Seiten verträglichere Bahnen zu lenken. Keineswegs darf ZIEM als eine Art Vorposten für eine vermeintliche „Islamisierung“ Europas missverstanden werden! ZIEM will ganz im Gegenteil einen wirksamen Mechanismus gegen die Fehlentwicklungen einer bisher nicht geglückten Integration, und gegen eine weitere Ausbreitung aggressiver und traditionalistischer Richtungen in Deutschland und Europa, in Gang setzen.

ZIEM möchte auch hier ansetzen und eine Ausbildungsstätte für Imame und andere Multiplikatoren wie Religionspädagoginnen und Religionspädagogen, Seelsorgerinnen und Seelsorger und den funktionalen Gemeindevorstehern anbieten.

Eine Imamausbildung im Inland würde nicht nur eine wünschenswerte Dynamik in die Entwicklung einer Theologie des Islams in Europa bringen, sondern auch gleichzeitig auf das religiöse Leben der Muslime reagieren, insbesondere der heranwachsenden Generation, ihre Religion in den europäischen Kontext einbinden, und dem Bedürfnis der Mehrheitsgesellschaft nach Aufklärung und Integration durch kundige Muslime entgegenkommen.

Die Islamische Fakultät in Sarajewo, Bosnien-Herzegowina, betreibt seit drei Jahrzehnten Bildungsarbeit für Muslime auf europäischem Boden.
Kürzlich eingerichtete Lehrstühle wie in Münster, Erlangen und Osnabrück für die Ausbildung von islamischen Religionslehrern, könnten Grundlagen für eine Imamausbildung vor Ort sein.
Langfristig soll ein in Deutschland einheitlicher, kulturell unabhängiger Lehrplan für einheiltliche Standards auf hohem wissenschaftlichen Niveau sorgen und politisch motivierte Religionsauslegung verhindern helfen.

Der Lehrplan wird dem bayerischen Bildungssystem angepasst, die Kooperation mit dem Kultusministerium und mit islamischen Einrichtungen bilden die Grundvoraussetzung für einen harmonischen Abschluss dieser bisher innovativen Form für Imamausbildung in Europa.
Angedacht ist eine akademische Ausbildung in Bachelor- und Masterstudiengängen für Studierende aus dem In- und Ausland. Europäische Austauschprogramme mit den Universitäten in der islamischen Welt sollen mit positiven Impulsen auch nach außen wirken und eine Brückenfunktion zwischen West und Ost übernehmen.

Getragen von fundiertem Verständnis für historisches und modernes Islamdenken, begleitet von Wissenschaftsprogrammen und einem facettenreichen Studienprogramm soll der Lehrplan grundsätzlich in deutscher Sprache folgende Fächer für die theologische Ausbildung umfassen:
Koranexgese, Islamisches Recht, Islamische Geschichte, Islamische Kultur und Zivilisation (auch in der Neuzeit), Islamische Mystik, Menschenrechte, Logik, Kommunikation und Verwaltung in Islamischen Einrichtungen.

Weitere verbindende Fächer sollen sein:
Rechtswissenschaften, Politik, Wirtschaft, Germanisitik, Anthropologie, Soziologie, Psychologie, Pädagogik, Religionswissenschaften der Weltreligionen, Geographie, Kunst, Musik, Deutsche Geschichte und Archäologie.

Ziel ist die Erlangung eines einheitlichen Fachwissens auf der Basis der muslimischen Quellen und empirischer Pädagogik. Eine essentielle Grundvoraussetzung für einen gleichberechtigten Dialog ist der begleitende theologisch-fachwissenschaftliche, praktische und spirituelle Ansatz der Ausbildung.

Von in Deutschland in deutscher Sprache ausgebildeten Imamen profitieren die Gemeinden dadurch, dass die Voraussetzungen für die Entwicklung eines modernen, westlichen Islam – eines Islam in Europa – geschaffen werden.
Der “Intgrationsmotor” Imam wird seine in der Akademie erworbenen Kenntnisse für das Zusammenwachsen der Gesellschaft fruchtbar einsetzen können. Damit können gleichzeitig negative Begleiterscheinungen der Integration mit bekämpft werden.

Im Bewusstsein, dass diese Einrichtung nur in längerfristigen Schritten ins Leben gerufen werden kann, wird zunächst, bis zum Erreichen dieses Zieles, daran gedacht, bereits tätige Imame in Deutschland an die Modalitäten in praktischer und theoretischer Ausbildung heranzuführen. In Form von Fortbildungen und periodischen Seminaren sollen folgende Schwerpunkte angeboten werden:

  • Erwerb der deutschen Sprache und Erweiterung der kulturellen Kompetenz
  • Geschichte Deutschlands und Europas
  • Nationalsozialismus und Antisemitismus
  • Einführung in Demokratie, Säkularisation und Menschenrechte
  • Einführung in die Rolle der Imame in Europa – Herausforderungen / Chancen
  • Christentum, Judentum und andere Religionen und Glaubengemeinschaften  – Dialoggespräche
  • Verwaltung und Führung von Moscheegemeinden
  • Pädagogik und Didaktik im Religionsunterricht in Moscheen
  • Bildung von Architekturgremien ausschließlich zur Beratung von neu zu erbauenden Gebetshäusern
  • Plattform vor allem für Akademiker, Lehrbeauftragte an den Universitäten, Studentinnen und Studenten und allen Interessierten bei Seminaren, Konferenzen, Symposien, Diskussionsveranstaltungen und Workshops in Zusammenarbeit mit ähnlichen Einrichtungen und Institutionen
  • Regelmäßige Presseerklärungen und Einbindung der Medien in den Prozess

Sehr geehrte Damen und Herren,

meine Ausführungen beende ich mich den Worten von Erich Kästner, der einmal gesagt hat, von einem wirklichen Fortschritt der Menschheit könne erst dann die Rede sein, „wenn die Mutigen klug und die Klugen mutig geworden sind“. Das lässt sich auch auf das Verhältnis zwischen Muslimen und hiesiger Gesellschaft übertragen, wobei mehr Mut manchmal beiden Seiten gut tun würde.

Von den Muslimen wünsche ich mir den Mut, dass sie ihre Gedanken und Ideen offen und ehrlich vertreten auch gegenüber denjenigen Muslimen, die vielleicht immer noch etwas anderes hören möchten.

Und von der Gesellschaft wünsche ich mir den Mut, dass sie den als richtig erkannten Weg des Dialoges auch weiterhin fortsetzt, auch wenn manchmal die Enttäuschung groß ist.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!