Allgemein

MFI Blog

Ramadan-Emfang – Die Rede von Imam Benjamin Idriz

25. Jul 2013 | Allgemein

ZIE-M Iftar-Dinner, München am 11.07.2013

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, lieber Herr Monatzeder, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie alle sind uns aufs Herzlichste Willkommen, Grüß Gott und as-salamu alaykum, Frieden über Euch und Sie alle!

Sie erlauben mir bitte, dass ich – als Imam und aus Anlass dieses Ramadan-Empfangs – an erster Stelle die Vertreterinnen und Vertreter der Religionsgemeinschaften begrüße:

  • Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern,
  • Dr. Heinrich Bedford-Strohm, wird später noch zu uns stoßen,
  • unter uns ist bereits Frau Stadtdekanin Barbara Kittelberger;
  • ich begrüße besonders Frau Ordinariatsdirektorin Dr. Gabriele Rüttiger, die in Vertretung von Kardinal Reinhard Marx heute hier ist;
  • den Direktor der evangelischen Akademie Tutzing Herr Udo Hahn,
  • Erzpriester Apostolos Malamoussis von der griechischen Gemeinde dürfte den meisten bekannt sein,
  • herzlich willkommen, ebenso Archimandrit Peter Klitsch von der griechisch-orthodoxen Salvatorkirche;
  • ich begrüße den Vorsitzenden des Zentralrats Orientalischer Christen in Deutschland Herrn Simon Jacob.
  • Wir freuen uns, dass Rabbiner Steven Langnas zu uns gekommen ist, der frühere Gemeinderabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde und heute Initiator des Projekts „Münchner Lehrhaus der Religionen“.

Zahlreiche muslimische Persönlichkeiten, Imame der verschiedene Moscheegemeinden wie auch Vertreter der verschiedenen muslimischen Dachverbände sind heute unter uns:

  • Der Vorsitzende der Islamischen Gemeinde Penzberg Herr Bayram Yerli und der gesamte Vorstand;
  • der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland Herr Ayman Mazyek,
  • der Vorsitzende des Zentralrats der bosnischen islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland Herr Edmin Atlagic,
  • der Generalsekretär der Union der Albanisch-Islamischen Zentren in Deutschland, Herr Besnik Rama,
  • der Landevorsitzende der Vereinigung der Islamischen Kulturzentren Erdogan Sen,
  • der Vorsitzende des Muslimrats München Herr Sokol Lamaj
  • der Vorsitzende von IDIZEM Herr Isa Güzel,

Ihnen allen willkommen, salam und Ramadan Mubarak!

Ich darf weiter nennen die Vertreter der diplomatischen Repräsentanzen:

  • den Generalkonsul der Vereinigten Staaten von Amerika, Herrn William Moeller und Frau Nancy Moeller,
  • den Generalkonsul der Islamischen Republik Afghanistan Herrn Muhammad Beshir Aman
  • den Generalkonsul der Republik Tunesien, Herrn Salah Chebbi,
  • den Konsul der Bosnien und Herzegowina, Herrn Sidik Spahic
  • den Attaché für Arbeit und Soziales des türkischen Generalkonsulats Herrn Hüsein Turan Bagceci.

Wir erwarten die Vorsitzende der Landtagsfrakion der Grünen Frau Margarete Bause, die SPD-Bundestagsabgeordnete Frau Aydan Özoguz, die SPD-Landtagsabgeordnete Frau Isabell Zacharias.

Ebenso begrüße ich die Stadträte Dr. Reinhard Bauer und Dr. Michael Mattar und die Vorsitzende des Ausländerbeirats Frau Nükhet Kivran, Herr Rudolf Stummvoll vom Amt für Wohnen und Migration, ehren uns durch Ihr Kommen. Wir begrüßen natürlich die Damen und Herren von der Presse und freuen uns, dass Sie gekommen sind!

Ganz besonders herzlich gilt mein Gruß unserem Ehrengast, dem Landtagspräsidenten a.D. und Vorsitzenden des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Herrn Alois Glück – wir sind Ihnen außerordentlich dankbar, dass Sie spontan zugesagt haben, bei unserem ersten Ramadan-Empfang einen Festvortrag zu halten! Wir wissen Ihr Engagement für einen echten Dialog hoch zu schätzen.

Sie alle schließlich, die Sie Institutionen vertreten, deren Arbeit wir so schätzen, die Sie gekommen sind, weil Sie uns unterstützen oder auch weil Sie einfach neugierig sind, weil Sie zu unseren Freunden gehören und natürlich auch die Mitglieder von ZIE-M: ich danke Euch und Ihnen allen für Ihr Kommen!

Der Monat Ramadan wird vom Propheten Muhammed als „Monat der Geduld und Solidarität“ bezeichnet. Muslime befinden sich in einer Zeit der inneren Ruhe, Selbstdisziplin und Selbstkritik. Diese spirituelle Atmosphäre sollte uns Kraft geben, um unsere Situation zu hinterfragen und unserem Leben neuen Halt zu geben. Die Botschaft lautet: Ich halte mich nicht nur beim Essen und Trinken zurück, sondern auch fern von Streit. Und: Ich halte Frieden und verbreite ihn. In diesem Sinne wird ein Fastender zu einem Friedensbotschafter. Durch das Erleben des Ramadans werden viele erstaunt bemerken, dass dieser Monat uns nicht nur Gott näher bringt, sondern auch unseren Mitmenschen. Und das tun wir heute mit diesen Iftar-Emfang.

Heute, der 11. Juli, ist in diesem Jahr der 3. Tag des Monats Ramadan. Vielleicht wussten Sie, dass der 11. Juli für Katholiken auch der Tag des Heiligen Benedikt ist. Ich frage mich aber auch, wie vielen von Ihnen bewusst ist, dass der 11. Juli auch ein europäischer Gedenktag ist. Am 11. Juli 1995 begann das Massaker von Srebrenica, das mehrere Tage andauerte. Am Ende waren 8000 Männer und Kinder ermordet worden, deren „todeswürdiges Verbrechen“ aus Sicht ihrer Mörder darin bestand, dass sie Muslime waren. Ungezählte weitere Massaker waren in dem schrecklichen Krieg, der über Bosnien gebracht wurde, vorausgegangen oder folgten noch. Europäische Blauhelmsoldaten, die den Schutz der eingeschlossenen Menschen hätten garantieren sollen, versagten in katastrophaler Weise. 14 Jahre später, 2009, beschloss das Europäische Parlament, diesen Tag für die gesamte Europäische Union zum „Gedenktag für die Opfer des Massakers von Srebrenica“ zu erklären. Das terminliche Zusammentreffen heute war nicht bewusst von uns so gewählt worden. Ich möchte es aber zum Anlass nehmen, Sie um einen Moment des Gedenkens, und wenn Sie wollen des Gebets, zu bitten – für alle Opfer der Kriege Europas in unserer Zeit, unabhängig von ihrer Religion und Ethnie.

(kurze Schweigeminute)

Meine Damen und Herren, ich fürchte, dass der Srebrenica-Gedenktag im Bewusstsein der Europäer nicht angekommen ist. Hat das damit zu tun, dass er die von Politikern und Meinungsmachern als selbstverständlich vorausgesetzten und von einigen bisweilen sogar beschworenen Denkkategorien in Frage stellt – wonach (ich überspitze jetzt bewusst!) eine christlich-jüdische Prägung für Kultur, für Freiheit und Sicherheit stehe, gegen eine angebliche Bedrohung durch fremde und aggressive, islamische Invasoren, und deren schleichende Unterwanderung, vor der man ständig auf der Hut sein müsse?

Haben deshalb unsere Sicherheitsorgane bei der „NSU“-Mordserie, die sich in erster Linie gegen Muslime in Deutschland richtete, so unfassbar versagt, nicht ernsthaft über „Döner-Morde“ hinaus gedacht, weil man Muslimen zuerst und vor allem die Täter-Rolle zuschreibt?
Haben deshalb unsere Verfassungsschutzbehörden ihre Energien lieber in die Bekämpfung einer sogenannten „schleichenden Islamisierung“ gesteckt und Muslimen, die sich nachgewiesenermaßen für die Werte des Rechtsstaats und der modernen Gesellschaft einsetzen, jahrelang das Leben zur Hölle gemacht (nein, ich übertreibe nicht, ich weiß, wovon ich rede), als den Terror von Nazis auch nur wahrzunehmen, der sich vor ihren Augen abspielte? Und werden daraus überhaupt wirklich, ernsthaft, die nötigen Lehren und Konsequenzen gezogen?
Mit großer Sorge beobachten wir die neuen Entwicklungen in Syrien und Ägypten. Der Prozess der Demokratisierung und Befreiung von Repression ist der größte Wunsch der Menschen, aber gleichzeitig eine Herausforderung der neuen Zeit.

Wir, als in Europa lebende Muslime, haben die Demokratie in Europa mitgestaltet und verinnerlicht, so sind wir auch bereit den Prozess der Demokratisierung in der Islamischen Welt zu unterstützen.

Deutschland bietet fruchtbaren Boden, gerade in Übereinstimmung mit seinem Grundgesetz, die gleichberechtigte Teilhabe der Religionen als Chance für sich selbst umzusetzen und damit zugleich in die globale Politik hinaus zu wirken.  Deutschland muss eine Führungsposition in der Welt übernehmen, gegen jede Unterdrückung zu agieren und Demokratie zu etablieren. Es ist falsch anzunehmen, dass eine uralte Feindschaft zwischen dem Westen und dem Osten existiert. Ein Blick in die Geschichte der Zivilisation zeigt uns, dass der Westen und der Islam eng beieinandergestanden haben. Beide haben sich das rationale Denken zur Grundlage gemacht. Diese beiden Zivilisationen sollten den Weg des Dialogs und Vertrauens anstelle des Konflikts und des Misstrauens einschlagen.

Nicht nur die islamische Lehre, sondern alle göttlichen Offenbarungen und Lehren, und die aus ihnen hervorgegangenen Regeln und Gesetze, sind im Laufe der Geschichte nur mit dem Zweck entstanden, die Grundrechte wie Gerechtigkeit unter den Menschen, Frieden, und Freiheit zu erzielen und zu schützen.

Nur im gemeinsamen Schulterschluss kann sich die Demokratie bewähren und bestärkt aus dieser Herausforderung hervorgehen. Aber nehmen wir diese Bedrohung unseres gemeinsamen europäischen Selbstverständnisses durch die Islamophobie überhaupt ernst genug? Islamfeindliche Agitation nimmt zunehmend alarmierende Dimensionen an; die Gesellschaft und ihre öffentlichen Repräsentanten müssen sich dazu durchringen, diese Form von Extremismus als solchen wahrzunehmen und zu brandmarken.

Meine Damen und Herren, unsere Stadt München erlebt zurzeit eine Welle der Hetze gegen Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit, wie sie wohl in ganz Deutschland seit langer Zeit beispiellos ist. Das Ziel der rassistischen Stimmungsmacher ist ihr Einzug in den Stadtrat und in die Parlamente, ihre Hauptzielscheibe dabei ist, wie Sie wissen, unser Projekt ZIE-M. Die Lehren, die aus der Aufarbeitung der Vergangenheit gezogen werden, müssen auf die heutigen Verhältnisse übertragen werden. Antisemitismus und Islamfeindlichkeit sind zwei scheußliche Seiten derselben Medaille. Dieselbe energische Entschlossenheit, mit der antisemitische Äußerungen völlig zurecht verdammt werden, muss heute gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit eingefordert werden. Deshalb sind wir allen sehr dankbar, die sich jetzt gemeinsam mit uns für ein menschenwürdiges Deutschland einsetzen. Wir alle wollen ein und dasselbe. Deshalb lassen Sie mich nun nicht mehr länger von dem reden, was wir, wir hoffentlich alle, die heute hier sitzen, nicht wollen. Reden wir lieber miteinander darüber, was wir wollen, wir hoffentlich alle, die heute hier sitzen.